15.01.2020
Kinder dürfen das!
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 13.12.2019 entschieden, dass Kinder kindgemäßen Lärm machen dürfen. (Urteil des V. Zivilsenates vom 13.12.2019 – V ZR 203 / 18.) Zum Fall. Die Beklagten betreiben als Mieter ein Eltern – Kind – Zentrum im Erdgeschoß einer Wohnungs – und Teileigentumsanlage, die dort seit 1987 einen Laden mit Lager ausweist. Das Eltern – Kind – Zentrum unternimmt eine Vielzahl weiterer Aktivitäten im sozialen Bereich: Zeichenkurse, Musikkurse, Zumba Kids, Spielgruppen, Sprachkurse, etc.. Die dabei produzierten ” Immissionen ” sind werktags von 09:00 – 18:00 und samstags von 10:30 – 12:30 zu hören.
Die Kläger wohnen unmittelbar darüber.
Im Verlaufe des Gerichtsverfahrens hat das Landgericht der Klage zunächst entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung beim Oberlandesgericht wurde abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat die Klage endgültig abgewiesen und Hilfsanträge, die sich auf das Abstellen von Fahrzeugen vor der Einrichtung bezogen, zur Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
Bei seiner Entscheidung hat der BGH folgende Überlegungen angestellt ” Ein Wohnungseigentümer kann von dem Mieter ( bzw. Eigentümer ) einer anderen Einheit in derselben Anlage gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung verlangen, wenn dieser die Einheit anders nutzt als in der Teilungserklärung vorgesehen. Sollte die abweichende Nutzung nicht mehr stören als die erlaubte, hätte der Betroffene nicht das Recht, die Unterlassung zu fordern – das wäre aber bei einer erlaubten Laden / Lager Nutzung im Vergleich zur Kindertagesstättennutzung nicht der Fall!
Damit wäre das Eltern – Kind – Zentrum draußen – eigentlich – wenn es nicht ein weiteres Gesetz gäbe, das durch seine Ausstrahlungswirkung Geräuscheinwirkungen durch Kinder für zulässig bzw. zumutbar erklärt. ( siehe § 22 Abs. 1a Satz 1 BISchG. )
Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich eine Priviligierung von Einrichtungen für Kinder wie Ballspielplätzen, Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen, vor. Im Regelfall ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht von einer unzulässigen Belästigung auszugehen.
Eine Ausnahme hiervon liegt dann vor, wenn die Teilungserklärung des betroffenen Objektes die Nutzung als Kindertagesstätte ausdrücklich deswegen ausschließt, weil die übrigen Nutzer durch die Einrichtung und deren Immissionen in der Ausübung ihrer gewerblichen Nutzung gehindert werden. Dies kann z. B. bei Ärtzehäusern, reinen Bürokomplexen mit Kanzleien etc. der Fall sein.
Im entschiedenen Fall spielt die zusätzliche Nutzung der Mietfläche für andere Zwecke ( Sprachschule, Elternkreis, etc.. ) keine maßgebliche Rolle, da sie nur begleitend und in geringem Maße erfolgt.
Der BGH führt dazu aus,” nur ein offenes Verständnis entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, durch § 22 Abs.1a BImSchG eine Priviligierung von ” grundsätzlicher Natur ” zu schaffen und vor dem Hintergrund, dass Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot steht, ein klares gesetzgeberisches Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft zu setzen.
Schlussfolgerung: Vor Abschluss eines Mietvertrages ist die geplante Nutzung des Mietobjektes mit den Vorgaben der Teilungserklärung und den gesetzlichen Voraussetzungen abzugleichen. Nutzen Sie das Wissen und die Erfahrung von Fachleuten wie Maklern und Anwälten.